Ein Parkhaus spielt Verstecken

Es war keine leichte Aufgabe, die Utopia Arkitekter zu lösen hatten:
Im Zentrum der schwedischen Stadt Norrköping, einem alten Industriegebiet mit pittoresken Backsteinbauten, sollte eine große, moderne Parkgarage entstehen. Und das, ohne den Stil des Stadtteils zu stören.

Aus den Jahren zwischen 1850 und 1920 stammen die stadtbildprägenden industriellen Backsteinbauten in Norrköping. Darunter mischt sich seit 2018 nun Vårdtornet, ein von Ihnen entworfenes Parkhaus. Wie kam es dazu?

Architekt Jesper Lövkvist: Alles begann mit der Idee, ein großes, modernes und hocheffizientes Parkhaus zu schaffen – nicht unbedingt das naheliegendste Projekt in einer Umgebung, die von einigen der schönsten Industrieziegelbauten in ganz Schweden dominiert wird. Aber die Herausforderung, ein Gebäude zu entwerfen, das nicht nur den funktionalen Anforderungen heutzutage gerecht wird, sondern sich auch optisch in das historische Viertel einfügt, nahmen wir gerne an. Wir von Utopia Arkitekter realisieren hauptsächlich Wohn- und Bürogebäude, das machte das Projekt für uns noch ungewöhnlicher.

„Für jeden Bereich entwarfen wir einen individuellen Material- oder Ausführungsmix. Der gemeinsame Nenner aller Lösungen war ein klarer Verweis auf den Stil der benachbarten Gebäude.”
- Architekt Mattias Litström, Utopia Arkitekter.

Wie gelang es, das Parkhaus in die historische Umgebung zu integrieren?

Zunächst haben wir einige Faktoren aufgelistet, die das Projekt ermöglichen würden, ohne den homogenen Stil des Gebiets zu stören. Eine der allerersten und einleuchtendsten Entscheidungen war die Wahl von roten Ziegeln als Hauptmaterial für die Fassade.

Das ungewöhnlich große Volumen des Parkhauses erforderte jedoch im nächsten Schritt ein größeres Maß an Variation sowohl in der Formgebung als auch in der Materialwahl.

Was heißt das konkret?

Nun ja, da auf einem schiefen Gelände gebaut werden sollte, das in jede Richtung in einem anderen Zustand war, erhielt das Gebäude eine recht eigenwillige Form. Wichtig für die Planung war, die Fassade in kleinere Teile zu zerlegen. Für jeden Teil entwarfen wir einen anderen Materialmix und einen eigenen Stil – so viel Liebe zum Detail sieht man normalerweise an modernen Parkhäusern nicht. Der gemeinsame Nenner der verschiedenen Fassadenteile war dabei ein klarer Verweis auf den Stil der benachbarten Gebäude.

Gab es für diesen Material- und Gestaltungsmix noch andere Gründe, abgesehen von ästhetischen?

Das fertige Gebäude wurde in einer dynamischen Mischung aus glattem Ziegelmauerwerk und Reliefmauerwerk mit dem Ziegel Retro Punainen Sileä sowie mit weißen Glasurziegeln ausgeführt.

Die Brandschutzvorschriften erforderten ein hohes Maß an struktureller Belüftung auf allen Parkdecks. Das realisierten wir auf der einen Seite mit dünnen Ziegelsteinsäulen, die schmale, senkrechte Öffnungen rahmen, und auf der anderen Seite mit unterschiedlichen Mustern aus kleineren, quadratischen Öffnungen.

Das Ergebnis ist ein Bauwerk, das die spezifischen Sicherheitsanforderungen erfüllt, gleichzeitig aber auch die Struktur des gesamten Gebäudes optisch zusammenhält und die Autos im Inneren versteckt.

Das Vårdtornet-Parkhaus wurde in Schweden mit der Auszeichnung für die Fassade des Jahres 2020 prämiert. Welche Eigenschaften haben die Jury überzeugt?

Besonders hervorgehoben wurden die Details der Ziegelfassaden des Parkhauses, die sich in das historisch bedeutsame Gebiet mit den großen, alten Fabrikgebäuden wie selbstverständlich einfügen. Obwohl modern und voluminös fühle es sich wie eine Ergänzung des Areals an, so die Jury. Zudem hieß es, die Stadt Norrköping setze neue Maßstäbe für diesen Gebäudetyp. Ein weiterer Grund sei der Mut des Entwurfs und das innovativ eingesetzte Mauerwerk, das hohe Anforderungen an Präzision und handwerkliches Können stellt.